Von der Fleischeslust zur Veggie Liebe

Moltkestraße 3

Das Sedanviertel entstand in der Gründerzeit des späten 19. Jahrhundert. In dieser Zeit, als die Stadt Freiburg sehr stark wuchs, wurde auch das Gebäude in der Moltkestraße 3 errichtet. Ein Weinhändler hatte sich die umliegenden Grundstücke gesichert, bebaut und rasch weiterverkauft. Im Zuge dieses Immobilienbooms gab er seinen ursprünglichen Beruf auf und wurde Bauunternehmer. Die Moltkestraße 3 verkaufte er an einen Kunsthändler, die Nebengebäude an einen Schneider und an einen Kaufmann.

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Neue Häuser - Neues Gewerbe

Die nahe der Altstadt gelegenen Neubauten waren zu dieser Zeit eine beliebte Adresse der (oberen) Mittelschicht: In vielen Häusern befanden sich im Erdgeschoss Geschäfte, deren Besitzer wohnten über ihrer Arbeitsstätte und vermieteten die übrigen Stockwerke weiter. Oftmals befanden sich im Hof kleinere Werkstätten oder niedrige Anbauten als Lager oder zur Vergrößerung der Ladenfläche.

Auch die Moltkestraße 3 hatte von Beginn an einen Anbau. Von 1890 bis 1904 befand sich dort eine Leder- und Schuhhandlung, später folgten unter anderem Kolonialwaren und ein Schreibwarengeschäft.

Vom Einzelhandel zum nächtlichen Vergnügen wandelte sich die Nutzung Mitte der 1960er Jahre. Eine 1965 eröffnete Spielhalle wurde bald zur Playboy Bar. Vergleichbare Etablissements eröffneten damals mehrere in der Gegend. Die zwischen Bahnhof und Innenstadt gelegenen ehemaligen Läden und Werkstätten boten sich dafür an. Doch die Playboy Bar stach mit ihrem luxuriösen Stil deutlich heraus.

Wildkatzen und Playboys in Freiburg

Mit der sexuellen Revolution in Deutschland Ende der 1960er Jahre veränderte sich auch das Sedanviertel und die Vergnügungsstätten mit erotischem Angebot trafen in Freiburg einen Nerv der Zeit. Ab 1967 beherbergte die Moltkestraße 3 den Nachtclub Playboy Gina‘s Nightclub. Die Bar ver fügte über reichlich gepolsterte Sitzflächen und einen Pool im Kellergeschoss. Sie war ein Ort, an dem sich die Abkehr von Prüderie und die Kommerzialisierung des als sexuelle Befreiung begonnenen Aufbruchs gleichermaßen manifestierten. Zum Publikum des keinesfalls günstigen Lokals zählten auch Prominente wie Roberto Blanco, Rudi Carell oder Karel Gott. Doch neben Animierdamen, Promis und der extravaganten Einrichtung beeindruckte auch die Betreiberin selbst. Zeitzeugen berichten von einer starken Persönlichkeit, die sich den Künstlerinnennamen Gina Wildkatze gegeben hatte. Grund für ihren bleibenden Eindruck ist auch ein von ihr produzierter Spielfilm (“Gina Wildkatze”, 1974), der in ihrem Nachtclub spielt und in dem sie selbst die Hauptrolle als Barbetreiberin übernahm. Anders als sein Name vermuten lässt, war er komplett jugendfrei und eher aus der Rubrik urbaner Heimatfilm. Nach seiner gefloppten Premiere widmete sich Gina wieder gänzlich ihrem Betrieb und führte den Nachtclub, bis sie Anfang der 1990er schwer erkrankte. In Anlehnung an ihr Werk folgte von 1994 bis 2017 die Playboybar. Jedoch verlor der Laden ohne die charismatische Betreiberin an Charme und Beliebtheit.

Nach dem Rotlicht

2018 eröffnete der Imbiss „Veggie Liebe“ in den grundlegend renovierten Räumen. Das Angebot von vegetarischen und veganen Gerichten setzt sich aus Spezialitäten wie Falafel, Shawarma und Hanffladenbrot zusammen und legt Wert auf Nachhaltigkeit. Gelegentliche Hinweise auf Klimaproteste unterstreichen die ökologische Ausrichtung. Die heutige Nutzung entspricht damit in vielerlei Hinsicht dem Klischee einer wohlhabenden Green City und zeigt beispielhaft den Wandel des Quartiers.
Rückblickend war auch die Playboy Bar nur eine Momentaufnahme im ständigen Wandel des Sedanviertels. Ihr war lokaler Einzelhandel vorausgegangen und es folgte ein ökologischer Szene-Imbiss. Neben der allgegenwärtigen Wohnraumproblematik zeigen auch solche Veränderungen von Arbeits- und Freizeiträumen die Dynamiken einer sich ständig wandelnden Stadt.