Das Expressgut-Areal

Schnewlinstraße 2-10

1845 wurde der Freiburger Bahnhof mit Anschluss nach Norden eröffnet. Schrittweise folgten die südlichen Streckenabschnitte nach Müllheim (1847), Haltigen (1851) und Basel (1855) sowie Verbindungen nach Breisach (1871) bzw. Colmar (1878), Waldkirch (1875) und Neustadt (1887).

Der Güterverkehr war zunächst auch Teil des ersten Bahnhofes. Für ihn wurde nach 1870 im südöstlichen Bereich, bei den Industriebetrieben Fauler und Grether, auch die obere Güterhalle (später: Expressguthalle) in der heutigen Schnewlinstraße errichtet. Nördlich angrenzend folgte 1893 eine weitere Halle. Beide Gebäude dienten zunächst dem Versand und Empfang von Transportgut. Als der stark angestiegene Güterverkehr die Einrichtungen an die Grenze ihrer Kapazitäten brachte, wurde zwischen 1901 und 1905 ein moderner Güterbahnhof mit eigenen Gleisanschlüssen in Freiburg-Brühl gebaut. Die Frachtguthallen wurden nun von Betrieben wie den Königlich Niederländischen Kaffeeröstereien oder dem Badischen Bauernverein als Lager verwendet. Ab 1923 nutzte die Post die südliche Halle für den Versand, während die nördliche Halle für Expressgut mit direkter Stadtanbindung verwendet wurde. Nach dem Bau eines eigenen Postbahnhofs in der Heinrich-von-Stephan-Straße 1936 wurde die Postversandhalle abgerissen. Die Expressguthalle mit ihren Gleisen prägte die Gegend der heute stark befahrenen Schnewlinstraße noch bis 1993.

Aktuelles Foto des Expressgut-Areals.
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Aus dem Leben gerissen

Ein singuläres Ereignis hängt dem Areal bis heute an: In den frühen Morgenstunden des 22. Oktober 1940 wurden rund 350 jüdische Mitbürger*innen im Hof der heutigen Hebelschule zusammengetrieben und anschließend beim Expressbahnhof in Güterzüge verladen. Die Bahnfahrt ins Konzentrationslager Gurs dauerte drei Tage. Viele der Deportierten starben schon im Zug an Erschöpfung.

Der Abtransport traf die jüdischen Bürger*innen unvorbereitet und ohne Ankündigung. Die Menschen hatten kaum Zeit, das Notwendigste zusammenzupacken und mitzunehmen. Am historischen Ort des ehemaligen Expressbahnhofs erinnert heute nichts mehr an dieses Ereignis. Seit 2003 mahnt an der Wiwili-Brücke ein vergessener Mantel aus Bronze an die aus dem Alltag gerissenen jüdischen Mitbürger*innen. Dort finden auch Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Deportation statt.

Express, X-World, X-Press

Nach dem Abriss der letzten Güterhalle wurde das Expressgutgelände zunächst als Parkplatz genutzt. 1997 gab es dann große Pläne: Ein Bildungs- und Erlebniszentrum sollte Besucher*innen eintreten lassen in eine “Welt der Information, Kommunikation und Technologie von Morgen mit Attraktionen für Kinder und Erwachsene”. [1] IMAX 3D-Kino, Planetarium, Läden, Gastronomie und ein Science Center zur Begegnung von Wissenschaft und Öffentlichkeit sollten bis zu 900.000 Gäste pro Jahr anlocken. Doch die sogenannte “X-World ” blieb unverwirklicht. Mangelnde Unterstützung und die Uneinigkeit von Stadt und Land ließen das Projekt 2001 scheitern.
In der Folge wurde das zwischenzeitlich städtische Grundstück vom Bauunternehmen Strabag erworben, das einen Architekturwettbewerb ausschrieb. Er beruhte auf Vorgaben des Stadtplanungsamtes und sollte in Erweiterung der Bahnhofsachse und als Eingang zur erweiterten Innenstadt ein unverwechselbares Gebäude entstehen lassen. Außenflächen für die Verbindung mit der Umgebung und die Berücksichtigung des gegenüberliegenden Wohnquartiers waren Teil der Vorgaben.
Aus dem Siegesentwurf ging das 2008 fertig gestellte X-Press Gebäude hervor. In seinem durchgängigen Erdgeschoß befinden sich vor allem Ladengeschäfte. Die vier aufgesetzten Hochbauten beherbergen Büros, Praxen, Dienstleistungsunternehmen und ein Hotel. Ab 2008 er folgte der vierspurige Ausbau der Schnewlinstraße als Teil des erweiterten Verkehrsringes um die Innenstadt. Auf einem Teil des ehemaligen Expressgutgeländes fließt heute Straßenverkehr und trennt den Gebäuderiegel von der Stadt.
[1] http://www.x-world.de

Güteranbindung in der Stadt

Für den industriellen Gütertransport verlor das Areal schon früh an Bedeutung, doch dem Transport von Expressgut diente es noch bis Anfang der 1990er Jahre. Heute kommen Warensendungen ausschließlich mit dem Lieferwagen oder LKW in die Innenstadt. Der Bahntransport spielt auch für größere Distanzen fast keine Rolle mehr. Der 1905 eröffnete Güterbahnhof im Stadtteil Brühl ist ebenfalls längst Geschichte. Dafür sind Feinstaub, Lärm, Verkehrsüberlastung, eingeschränkte Lieferzeiten und die schlechten Arbeitsbedingungen konkurrierender Lieferdienste Begleiterscheinungen der heutigen Logistik. Auf welche städtische Infrastruktur eine Mobilitätswende im Gütertransport aufbauen könnte, ist dagegen eine offene Frage.