Gemeinsame Stärkung (in) der Wirtschaft

Belfortstraße 52

Jahrzenhntelang soll es im Grünhof das beste Schnitzel der Stadt gegeben haben. Heute werden dort Kichererbsensalat und vegane Kuchen serviert und die Gastronomie ist Teil von Freiburgs erstem Coworking Space. Damit steht der Grünhof stellvertretend für den Wandel des Viertels. Immer wieder konnten etablierte Einrichtungen des Quartiers irgendwann nicht mehr weiter bestehen. Sie wurden aufgegeben und machten Neuem Platz oder passten sich ihrer gewandelten Umgebung an.

Früher prägten den Grünhof die angrenzenden Betriebe und der nahe (Güter-)Bahnhof. Sein Angebot zielte auf den geselligen Feierabend von Arbeiter*innen und die günstige Übernachtung nahe der Eisenbahn. Heute steht er für ökonomisches Netzwerken einer meist akademischen Gründerszene. Statt geselligem Feierabend verschwimmen dabei Arbeit und Freizeit in Projekten, die sich zwischen Engagement, kommerziellem Erfolg und Prekarität bewegen. Im Rückblick ist es erstaunlich, wie lange der Grünhof nahezu unverändert als klassisches Wirtshaus existierte. Doch nicht weniger interessant ist, weshalb sein altbewährtes Konzept nach 2010 nicht mehr trug und was danach passierte.

Nach oben scrollen

Vom Grünen Hof zum Grünhof

1877 wurde das heutige Grundstück Belfortstraße 57 (Kiez 57) erstmals bebaut. Einer der ersten Mieter*innen war Leopold Mayer, der im Erdgeschoß das Gasthaus zum Grünen Hof eröffnete. Zehn Jahre liefen die Geschäfte vermutlich recht gut, dann wechselte der Hauseigentümer. Nun gehörte der Grüne Hof einem Handwerker aus der nahen Faulerstraße, der selbst den Plan verfolgte, Wirt zu werden. Als kurz darauf Leopold Mayer verstarb war seine Frau wohlhabend genug, um den Neubau der gegenüberliegenden Belfortstraße 52 zu erwerben. Dort eröffnete sie 1889 den Grünhof. In ihrem freiwerdende Lokal zog nun das „Gasthaus Güterhalle“ ihres ehemaligen Vermieters, das bis 1968 bestand.

Frau Mayer führte den Grünhof bis sie 1897 verstarb. In ihrer ‚Restauration und Bierwirtschaft‘ stand die gesellige Erholung im Mittelpunkt des Angebots. Der heute altmodische Begriff für Restaurant bezog sich noch ganz direkt auf die Wiederherstellung (‚Restauration‘) der Kräfte durch Nahrungsaufnahme.

Nach ihrem Tod übernahm die Riegeler Brauerei das Gebäude und Karl Iffinger den Grünhof. Er hatte davor in Clarastraße und Eisenbahnstraße reine Schankwirtschaften betrieben und baute den Grünhof in ein Gasthaus mit Zimmervermietung aus.

Viele Wirte - ein Konzept

Mit diesem Angebot blieb sich der Grünhof fast 100 Jahre lang treu. Auf Karl Iffinger folgten Hermann Waldvogel (1902-1923), Gottlob Maier (1924-1934), August (1934-1956) und Maria (1956-1965) Epple und schließlich von 1966 bis 1998 der gelernte Metzger Fritz Schreiber. Er führte den Grünhof mit Abstand am längsten und prägte ihn so, wie er heute noch einigen in Erinnerung ist: als herzlichen Ort der Begegnung mit legendären Schnitzeln, offen für unterschiedliche Altersgruppen und Bildungsschichten. Nach der Ära Schreiber blieb das etablierte Konzept nur noch wenige Jahre erhalten.

Ab 2008 richtete sich die Gaststätte mit Betreibern aus der Club-Szene, neuem Inventar, Schwarzwald Pop-Art des Künstlers Stefan Strumbel, wechselnden Ausstellungen und DJ-Events an ein deutlich jüngeres und studentischeres Publikum. Zur deftigen Küche gesellte sich leichte und fleischlose Kost. Doch trotz des vielfältigen Angebots war die Neuausrichtung kein Erfolg. Ökonomischer Druck, gestiegene Betriebskosten, Konkurrenz und schwierige Refinanzierung: ein klassisches Restaurant trug an dieser Stelle auch in seiner poppigen Variante nicht mehr. Das alte Stammpublikum war bereits mit dem Nachfolger von Fritz Schreiber in die nahe gelegene Freiau-Gaststätte weitergezogen, wo das Konzept des alten Grünhofs auf kleinerer Fläche noch für kurze Zeit fortbestand. Der Grünhof in der Belfortsraße 52 schloß nach einem weiteren Wechsel zum Jahresende 2010 und ist seitdem Geschichte.

Neue Ökonomie in der Bierwirtschaft

Seit 2013 nutzt Freiburgs erster Coworking Space den Namen und die Räume der “Traditionsgaststätte” als “helle und repräsentative Orte der Begegnung […] zum Arbeiten und Austauschen”[1 ] Die Kombination aus flexibel mietbaren Arbeitsplätzen, beruflichem Netzwerken und sozialem Austausch erwies sich als tragfähig und entspricht aktuellen Bedürfnissen nach neuen Arbeitsformen.

Das auf Nachhaltigkeit spezialisierte Unternehmen versteht sich selbst als Brutkasten für sozialinnovative Projekte. Es steht Unternehmungen in den Bereichen Non-Profit, Nachhaltigkeit und Share/Fair Economy beiseite, hilft bei der Umsetzung und vermittelt Know-how. Mittlerweile hat der Grünhof expandiert und betreibt auch die ehemalige Lokhalle des alten Güterbahnhofs.

Die Gastronomie des angeschlossenen Café POW steht heute nicht mehr im Mittelpunkt des Betriebes. Doch die Räume sind nach wie vor ein wichtiger Treffpunkt im Viertel, die auch für Workshops, Märkte und Kulturveranstaltungen genutzt werden.

[1] https://gruenhof.org/raeume/