Lernorte im Wandel

Platz der Universität 2

Am heutigen Platz der Universität befanden sich seit 1874 nahezu durchgängig Orte des Lernens. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Bevölkerung Freiburgs stark gewachsen. Damit nahm auch die Bedeutung der Bildung zu, die gleichermaßen vom allgemeinen Platzmangel betroffen war. Die Stadt Freiburg stand in ihrer Geschichte immer wieder vor der Herausforderung, neue Lernorte zu schaffen und den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Das Rotteckgymnasium (1874-1970), die erste moderne Universitätsbibliothek (1978-2008) und ihr Nachfolgebau (seit 2015) sorgten für öffentliche Diskussionen über Bildung, Ästhetik und Nachhaltigkeit. Mehr fach kam es zu Konflikten um die Nutzung des städtischen Raums, denn immer wieder prallten in der Geschichte der Gebäude widersprüchliche Bedürfnisse und Prioritäten aufeinander.

 
Aktuelles Foto der Universitätsbibliothek.
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Ein Gebäude für die Rotteckschule

Die 1841 gegründete Höhere Bürgerschule für Jungen hatte bis 1874 verschiedene Räumlichkeiten genutzt, darunter das heutige Augustinermuseum und das Schwarze Kloster. Ein städtischer Neubau am damaligen Stadtrand, dem heutigen Platz der Universität, beendete die Phase der häufigen Umzüge. Die Schule wandelte sich zur (Ober-)Realschule mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt und wuchs bis 1905 auf über 1.000 Schüler. Diese steigenden Zahlen führten bald zu erneutem Platzmangel. Ab 1907 wurden mehrere Klassen in umliegende Schulen ausquartiert, als Ableger das heutige Kepler-Gymnasium gegründet und das Dachgeschoss zu Unterrichtsräumen ausgebaut. Während der beiden Weltkriege mussten die Unterrichtsräume erneut verlegt werden, da sie beschlagnahmt, als Lazarett, für Ämterbüros bzw. als Lebensmittellager genutzt wurden. Der Bombenangriff am 27. November 1944 beschädigte die Schule schwer. Erst nach dem 1951 abgeschlossenen Wiederaufbau standen der Schule wieder alle Räume zu Verfügung.

Bibliothek oder Denkmalschutz

Neben der Zahl der Schüler*innen war auch die Anzahl von Studierenden im 20. Jahrhundert stark gestiegen. Für ihre Vergrößerung wollte die Universität an Stelle des Rotteckgymnasiums eine neue Universitätsbibliothek errichten. Ende der 1960er Jahre erhoben sich jedoch Stimmen aus der Kunstgeschichte und der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild gegen den Abriss. Schließlich handelte es sich um ein Gebäude im Stil der Neorenaissance, das im Zweiten Weltkrieg zwar beschädigt, aber vor nicht langer Zeit wieder hergerichtet worden war. Dem standen die sehr beengten Verhältnisse und der Wunsch nach modernen Bibliotheksräumen einer wachsenden Universität gegenüber. 1970 zog das Rotteckgymnasium in einen Neubau in der Lessingstraße um und unterrichtete fortan auch Schülerinnen. Der Streit um Abriss oder Erhalt ihres ehemaligen Gebäudes zog sich noch bis Anfang 1972. Am Ende wog das Interesse der Universität stärker als die Argumente für den Erhalt: Das ehemalige Rotteckgymnasium wurde Ende 1972 abgerissen.

Umstrittene Neubauten

Auch der Bau der erste Neubau der UB sorgte für Konflikte innerhalb der Stadtgesellschaft. Ihr grobes Erscheinungsbild wurde von vielen als störend empfunden. Diesen Einwänden wurde mittels Fassadengestaltung begegnet. Trotzdem blieb bei vielen der Eindruck eines massiven, zu modernen Gebäudes direkt neben der Altstadt.

1978 wurde die UB eröffnet. Sie verfügte über fast 1.400 Lese- bzw. Arbeitsplätze, Stellfläche für ca. 3,5 Millionen Bände und eine Tiefgarage im Untergeschoss. Für die Anbindung an die übrigen Universitätsgebäudewurde ein Steg über den damals stark befahrenen Rotteckring errichtet. Doch die Bibliothek konnte nur 30 Jahre lang genutzt werden: Schlechte Bausubstanz, veraltete Haustechnik, ein hoher Energieverbrauch und Schadstoffe waren Gründe für den 2008 begonnenen Abriss.

Für ihren zweiten Neubau wollte die Universität ein ebenfalls modernes, energieeffizientes und repräsentatives Gebäude errichten. Auch er sorgte – diesmal sogar bundesweit – für Gesprächsstoff und Diskussionen. Die heutige UB wurde 2015 eröffnet. Sie blieb wie ihre Vorgängerbauten auf die Altstadt hin ausgerichtet, tritt jedoch zugunsten eines Vorplatzes in der Baulinie etwas zurück. Durch den verkehrsberuhigten Rotteckring ist sie direkt mit dem übrigen Campus verbunden. Im Untergeschoss parken heute Fahrräder statt Autos. Ein Großteil der Arbeitsfläche (1.250 Plätze) dient dem stillen Lernen, Lesen und Studieren, ergänzt durch einen kommunikativen Bereich (Parlatorium) für kreativen Austausch und Arbeitsgruppen (ca. 500 Plätze). Dieser Wandel der Lernräume entspricht dem gegenwärtigen Trend zu kollaborativem Arbeiten. Doch ein Thema ist geblieben: Wie bereits beim Rotteckgymnasium und dem ersten Neubau ist Platzmangel auch in der neuen UB ein bestimmendes Thema. Die Arbeitsplätze reichen meist nicht aus, häufig sitzen Studierende beim Lernen auf dem Boden. Doch als Lernort, Rückzugsort und sozialer Treffpunkt bildet die Universitätsbibliothek heute nichtsdestotrotz einen wertvollen und geschätzten Ort des Lernens und des Austauschs.