„Mit der Strafe soll im Sinne der Disziplinierung ein Besserungseffekt erzielt werden und die bestrafte Person so korrigiert werden, dass sie wieder nach den Vorschriften handelt.“ 1

Julia Orendi

 Ein Gefängnis für Studenten

Die Darstellung von Strafe in den Wandzeichnungen des Freiburger Universitätskarzers

Strafe in der Universität: Was in der heutigen Zeit eher mit Ausnahmefällen wie der Aberkennung von Prüfungsleistungen bei Betrug oder dem Entzug eines akademischen Titels bei Plagiatsvorwürfen assoziiert wird, war vor mehr als 100 Jahren an der Universität noch alltäglich. In den Gründungsbriefen der Universitäten war eine eigenständige Rechtsprechung festgeschrieben, die mit unterschiedlichen Arten von Strafen einherging, mit welchen auf unangemessenes Verhalten der Studenten* reagiert wurde. Eine dieser Strafen war die Haft im universitätseigenen Gefängnis, dem sogenannten Karzer. Die Karzer vieler alter Universitäten sind heute bekannt für ihre bemalten und beschriebenen Wände, an denen sich die inhaftierten Studenten verewigt haben.

In meiner Forschungsarbeit habe ich die Wandzeichnungen der Karzer der Universität Freiburg mithilfe einer historisch-archivalischen Herangehensweise betrachtet. Die Zeichnungen stehen dabei für Zeugnisse und Hinterlassenschaften von Menschen, welche in offiziellen historischen oder archivalischen Quellen nicht vorkommen. Die Wandzeichnungen der Karzer dokumentieren den persönlichen Ausdruck und die Gedanken der Studenten zu ihrer Strafe. Die Betrachtung der Zeichnungen und Sprüche an den Wänden zeigen, wie vielfältig sich die Studenten mit Strafe auseinandergesetzt haben und wie fest verankert diese im Universitätsalltag war. Der Artikel gibt einen Einblick in die Auflehnung der Studenten gegen die Machtausübung und Disziplinierung durch die Professoren, verdeutlicht aber auch den starken Zusammenhalt und das Selbstverständnis der Studenten. Der Karzer stellt somit mehr dar als nur einen reinen Ort von Strafe.

* Ich verwende in diesem Teilprojekt die männliche Form, wenn ich von den Studenten und Professoren spreche, da es überwiegend Männer sind, die in den Quellen in diesem Zusammenhang genannt werden. Obwohl Frauen zu dieser Zeit studieren konnten, war es unüblich, dass sie aufgrund ihres Verhaltens mit einer Haft im Karzer bestraft wurden.

Abbildung: Winterkarzer der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
[Wikimedia Commons]

1 Orendi, Julia: Ein Gefängnis für Studenten. Die Darstellung von Strafe in den Wandzeichnungen des Freiburger Universitätskarzers. In: Sieferle, Barbara (Hg.): Strafen. Kulturanthropologische Perspektiven (= Freiburger Studien zur Kulturanthropologie, 5). Münster 2021, S.168-179, S.168.

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