„Ich muss sagen, es ist etwas, wo ich mich darauf freue, die ganze Woche, wenn ich dann losziehen kann und dann, so ein bisschen spannend, was ist denn heute dabei? Was ist wieder außergewöhnlich? Werde ich erwischt oder nicht?“1

Jasmin Petrowski

 „Strafbar? Auf gar keinen Fall!“

Lebensmittelretter*innen zwischen eigener Moral und geltendem Recht

Im Zentrum dieses Forschungsprojekts steht das Phänomen des Lebensmittelrettens oder Containerns: Das Retten weggeschmissener, aber noch verzehrbarer, Lebensmittel. Doch in Deutschland gilt dieser vermeintliche Abfall als rechtliches Eigentum der Supermärkte, weshalb sich Lebensmittelretter*innen nach deutschem Recht strafbar machen. Die Debatte um eine Veränderung dieses Gesetzes hält bereits seit Jahren an. Diese geforderten Gesetzesänderungen reichen inhaltlich von der Straflosstellung der Lebensmittelretter*innen, wie in Dänemark, bis hin zur Bestrafung jener, welche für die Lebensmittelüberproduktion verantwortlich sind. Eine Beschäftigung mit diesem Thema aus kulturanthropologischer Sicht ist daher von großer Relevanz. Die Antwort auf die Frage, ob die Lebensmittelretter*innen selbst ihr Handeln als strafbar empfinden, verrät deutlich das im Titel verwendete Interviewzitat “Strafbar? Auf gar keinen Fall!” Dementsprechend gilt mein Erkenntnisinteresse hier der Frage, welchen Einfluss diese gesetzliche Strafbarkeit des Containerns auf die Akteur*innen und ihr Handeln hat und welche Aushandlungsprozesse dabei zentral sind. Denn wie das hervorgehobene Zitat von Markus zeigt, sind die Akteur*innen sich der gesetzlichen Lage absolut bewusst.

Bedingt durch die Corona-Pandemie musste ich die Feldforschung in den digitalen Raum verlagern, weshalb ich die Akteur*innen dieses Forschungsprojekts über die Facebook-Gruppe “Containern ist kein Verbrechen!” kennenlernte. Die mit ihnen geführten Einzelinterviews ermöglichen Einblicke in ihre individuellen Lebenswelten, Erfahrungen und Wahrnehmungen. Sie geben Aufschluss über Fragen zu ihrer Motivation für das Containern, nach ihrem Umgang mit einer potenziellen Strafverfolgung sowie zur Strafwürdigkeit des Lebensmittelrettens im Allgemeinen. Ihre Erzählungen zeichnen das wirkungsmächtige Spannungsfeld zwischen individuellem Moralverständnis und rechtlich festgeschriebener Norm ab.

Abbildung: Funde nach einem Gang Containern.
[private Aufnahme von Interviewpartner Nico]

Petrowski, Jasmin: „Strafbar? Auf gar keinen Fall!“ Lebensmittelretter*innen zwischen eigener Moral und geltendem Recht. In: Sieferle, Barbara (Hg.): Strafen. Kulturanthropologische Perspektiven (= Freiburger Studien zur Kulturanthropologie, 5). Münster 2021, S.36-47, S.38f.

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