„Durch den Shitstorm […] werden sowohl die eigenen Wertvorstellungen […] bekräftigt als auch die Abweichenden der Adressat*innen bestraft.“1

Sören Streicher

 Der Shitstorm als Strafform

Der Shitstorm ist ein Phänomen, welches in der Medienlandschaft des 21. Jahrhunderts zuletzt immer häufiger auftrat. Insbesondere in digitalen Medien und sozialen Netzwerken ist mittlerweile eine erhöhte Shitstorm-Frequenz wahrnehmbar. Diese Entwicklung wird von Kommentierenden gerne aus einer kulturpessimistischen Haltung als angeblicher „Diskursverfall“ und als „Untergang der Debattenkultur“ gedeutet.

Ich untersuche jedoch, aus welchen Beweggründen die Akteur*innen an einem Shitstorm teilnehmen und inwiefern Strafaspekte dabei eine Rolle spielen. Dabei zeichnet sich ein Bild des Shitstorms als informelle Strafreaktion auf eine angenommene Normverletzung ab.

Dazu untersuche ich einen konkreten Shitstorm aus dem Jahr 2021, nämlich den gegen den (damaligen) FC Bayern München Fußballtrainer Hansi Flick wegen kontroverser Aussagen bezüglich der Corona-Pandemie. Ich analysiere den Shitstorm dabei plattformübergreifend, denn dieser breitete sich sowohl auf Facebook, Twitter, YouTube als auch diversen Nachrichtenportalen aus. Dieser plattformübergreifende Ansatz ist auch deshalb für mein Thema hilfreich gewesen, da sich die Beiträge in ihren Motiven aber auch in ihrer Grundhaltung teilweise stark unterscheiden. So ist auch ein Shitstorm kein homogenes Phänomen, sondern von vielfältigen Meinungen, unterschiedlichen Anstoßpunkten und konträren Sichtweisen geprägt. Es zeigte sich, dass verschiedene Akteur*innen und Gruppen unterschiedliche Normverletzungen wahrnehmen und bestrafen.

1 Streicher, Sören: Der Shitstorm als Strafform. In: Sieferle, Barbara (Hg.): Strafen. Kulturanthropologische Perspektiven (= Freiburger Studien zur Kulturanthropologie, 5). Münster 2021, S.82-91, S.89.

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