Von Eylengeschrei, dem Petersäcker und einem Kolbengrund –

Flurnamen … demnächst auch digital!

2022 wird ein weiterer historischer Bestand der Landesstelle für Volkskunde in Stuttgart – das Württembergische Flurnamenarchiv – online gehen. Dazu wurden über 1000 Digitalisate von Fragebögen und Markungskarten, vor allem der Jahre 1926 bis um 1950, angefertigt und mit der Datenbank des Landesmuseums Württemberg verknüpft. Damit ist wieder ein Schritt gemacht hin zu einem digital präsenten und zugänglichen Landesstellen-Archiv, dem in der Vergangenheit bereits die Digitalisierung der Konferenz- und Sprachaufsätze sowie der Bestand des Liedarchivs vorangegangen war.

Flurnamen – was ist das?​

Flurnamen wie „Eylengeschrei“, „Petersäcker“ oder „Kolbengrund“ sind Bezeichnungen für einzelne Geländepartien in der Landschaft. Sie ermöglichen die eindeutige Ansprache und Kommunikation in Bezug auf Äcker, Wiesen, Waldstücke und anderen kleineren Landschaftsteilen in den Fluren rund um die Ortschaften.

Diese lokalen Gebrauchsnamen wurden von der Bevölkerung gebildet, überwiegend mündlich (oftmals in Mundart) tradiert und haben sich im Laufe der Zeit vielfach verändert. Das Wissen um die ursprüngliche Bedeutung vieler Flurnamen und um den dadurch markierten Besitz ging dabei häufig verloren und es entstanden volkstümliche Erklärungsmythen und Narrative.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Zuge einer ersten Landvermessung im Königreich Württemberg, ist damit begonnen worden, sie systematisch zu erfassen, und damit auch festzuschreiben. Aufgezeichnet wurden ortsspezifische Schreib- und Ausspracheweisen der Flurnamen sowie umfassende Informationen etwa zur Bewirtschaftung des Gebietes, zu Bodenfunden, Denkmälern und vorhandenen historischen Quellen.

Die Landesstelle für Volkskunde machte sich seit ihren Anfängen die Dokumentation von Flurnamen in Württemberg und Hohenzollern zur wissenschaftlichen Aufgabe. Beteiligten sich zunächst Pfarrer, Landvermesser und Schultheißen, wurden ab 1926 auch Volksschullehrer dazu aufgerufen, die Flurnamen ihrer Dienstorte in Fragebögen mit Angaben zu Lage, Nutzung, Gestalt, historischen Quellen, volkstümlicher und sprachwissenschaftlicher Deutung zu erfassen. Seit den 1950er Jahren erstellten vor allem Lehramtsanwärter*innen (nun auch Frauen) Flurnamensammlungen als Zulassungsarbeiten, bis in den 1980er Jahren die Zugänge ins Archiv zunehmend verebbten.

Gerade die Verbindung zwischen Wörtern und Sprache mit Kultur und Geschichte einer Landschaft machte das Flurnamen-Sammeln zu einer Mit-Mach-Aktion und damit auch für nichtwissenschaftliche Akteur*innen zugänglich und interessant. Mittlerweile haben vor allem Heimatforscher*innen und engagierte Laien diese Aufgabe übernommen, die – auch als Geschäftsmodell – Flurnamensammlungen für Gemeinden erstellen und publizieren.

Forschungsperspektive heute​

Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive sind es heute die Kontextinformationen und zeitgenössischen Deutungen, die das Thema interessant machen. Sie geben nicht nur Einblicke in die Praxis des Sammelns und Dokumentierens, sondern bieten auch Informationen über die Vernetzung der Akteur*innen untereinander und den Umgang mit Deutungshoheiten. Denn selten ist die Deutung so einfach und pragmatisch gewählt wie z.B.  im Fall von „Petersäcker“, dem Acker von Peter oder „Kolbengrund“, das Vorkommen von (Rohr-)Kolben in Sumpfwiesen.

Flurnamen sind Teil des kulturellen Gedächtnisses einer Landschaft. Ihre Sammlung und Dokumentation vermittelt sowohl Einblicke in die Vergangenheit und gibt auch Auskunft über Vorstellungen von Ort und Raum in der Gegenwart.

Hier kommen Sie zur digitalen Sammlung des Landesmuseums Württemberg: 

https://www.landesmuseum-stuttgart.de/sammlung/sammlung-online

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